Nach der Wintersaison ist vor der Sommersaison. Ein Unfall auf einer saisonal geschlossenen Mountainbike-Anlage (Piste) in Graubünden wirft ähnliche Fragen wie im Winter bei den Schneesportanlagen auf: Wie ist mit Mountainbike-Pisten umzugehen, die noch nicht geöffnet sind bzw. bereits geschlossen sind? Nachfolgend wird die Frage auch mit Hilfe von zwei Praktikern beantwortet.
Die Ausgangslage
In den letzten Jahren sehen sich Bergbahnen immer wieder mit der Thematik der Skipisten konfrontiert, die am Anfang der Saison noch nicht oder im Frühling aufgrund knapper Schneeverhältnisse nicht mehr befahrbar sind. Dass sich die Frage auch in Zusammenhang mit Mountainbike (MTB)-Pisten auf ähnlicher Art und Weise stellt, geht aus einem bündnerischen Sachverhalt hervor, der Anfang 2024 zu einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft führte.
Der Sachverhalt
Eine kleine Gruppe Mountainbikefahrer:innen fuhr am späteren Nachmittag mit den eigenen Mountainbikes vom Tal zu einer Bergstation des Seilbahnunternehmens hoch, um den Start eines Trails zu erreichen. Der Trail ist als schwierig eingestuft und schwarz gekennzeichnet. Die Bahnanlagen sowie die MTB-Anlagen waren zu diesem Zeitpunkt saisonbedingt noch geschlossen.
Bei der Bergstation angelangt macht sich die Gruppe für die Talfahrt bereit und startet. Einer der MTB-Fahrer, der lediglich einen Helm als Schutzausrüstungen trug, fuhr in der Mitte der Gruppe los und war das erste Mal auf dieser Piste unterwegs. Als er auf eine Holzbrücken-Konstruktion fuhr, ist er über den weiteren Verlauf der Strecke erschrocken und bremste leicht ab. Dadurch trug es ihn über die Kurve und er stürzt kopfüber über die Konstruktion und landete neben der Konstruktion in einen Haufen von Rundholz und Geästen. Bei diesem Sturz erlitt er schwere Verletzungen.
Die juristische Beurteilung
Auf der Webseite des Seilbahnunternehmens war ausdrücklich festgehalten, dass diese MTB-Anlage (Piste) Trail geschlossen war. Auch aus dem entsprechenden Smartphone App und aus einer interaktiven Karte ging die Information über den geschlossenen Trail hervor, genauso wie aus den Info-Bildschirmen des Seilbahnunternehmens.
Zum Zeitpunkt des Unfalles war die MTB-Anlage (Piste) weder geöffnet noch instand gestellt, an einigen Stellen hatte es sogar noch Schnee. Das Seilbahnunternehmen hatte auch seinen Sommerbetrieb noch nicht aufgenommen. Es haben keine Umstände bestanden, die den Schluss zugelassen hätten, dass diese MTB-Anlage (Piste) geöffnet gewesen wäre.
Eine Verkehrssicherungspflicht seitens des Seilbahnunternehmens hat nicht bestanden. Aus diesem Grund hat die zuständige Staatsanwaltschaft beschlossen, die Strafuntersuchung einzustellen.
Die Reaktionen
Romano Pajarola, Verantwortlicher der Beratungsstelle Sicherheit, ist auf Anfrage der Meinung, dass entsprechende Sperrsignale und Informationstafeln beim Start des Trails nicht notwendig waren, da der Trail saisonbedingt gar nicht geöffnet war, genauso wie die Bergbahnanlagen. Der Entscheid der Staatsanwaltschaft, das Verfahren einzustellen, überrascht ihn nicht, dies sei für ihn auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verkehrssicherungspflicht glasklar: Die Verkehrssicherungspflicht für die Sommeranlagen, genauso wie im Winter, ist in der Regel auf die Dauer der normalen Betriebszeiten des Seilbahnunternehmens zeitlich beschränkt. Auch nach Betriebsschluss können keine besonderen Sicherungsvorkehrungen mehr erwartet werden, umso weniger ausserhalb des Saisonbetriebs.
Walter Maffioletti, Leiter Recht und Sicherheit pflichtet ihm vollumfänglich bei, und hält fest, dass derartige Konstellationen seines Wissens dünn gesät sind.
Das Schlusswort
Ob im Winter oder im Sommer, ist die Information massgebend: Es muss klar und unmissverständlich kommuniziert werden, dass die Anlagen noch (oder bereits) geschlossen sind. Wer sich an diesen Grundsatz hält, ist auf der richtigen Seite, wie aus der Einstellungsverfügung einer bündnerischen Staatsanwaltschaft hervorgeht: Vorliegend steht fest, dass diese MTB-Anlage (Piste) zum Unfallzeitpunkt geschlossen und nicht in Betrieb war. Dies war so zumindest auf der Webseite und der App kommuniziert. Es bestanden keine Umstände, die den Schluss zuliessen, dass die MTB-Anlage (Piste) geöffnet wäre.
Dieser Entscheid ist in der seit Anfang 2024 den SBS-Mitgliedern zur Verfügung stehenden Plattform Rechtsprechung enthalten. Sie umfasst aktuell drei Bundesgerichtsurteile über einen Trottinettesturz, einen Aufprallunfall gegen einen Baum bei einer Tyrolienne sowie über eine Kollision zwischen zwei Rodelgeräten.
Die Plattform stellt ein wichtiges Informationsinstrument für die Sicherheitsverantwortlichen dar, und sie beschränkt sich auf die fallbedingten wesentlichen Informationen in leicht verständlicher Sprache. Jedoch bleibt zu hoffen, dass sich die Fälle in so geringer Anzahl wie bisher halten.
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